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Dreißig Sekunden Gilda Berliner Lost-Films-Projekt identifiziert "Rätsel von Bangalor"-Fragment von Olaf Brill 18.3.2010 Diese kleine Website ist dem Filmstar Gilda Langer gewidmet. Doch wir haben noch niemals ein bewegtes Bild von ihr gesehen, denn ihre wenigen Filme gelten allesamt als "verloren". Jetzt ist ein Fragment im Archiv der Deutschen Kinemathek als winziges Stückchen des Films "Das Rätsel von Bangalor" identifiziert worden. Es zeigt Gilda Langer und Harry Liedtke an einem Tisch in einem Restaurant oder einem Varieté. Der weitläufige Raum ist mit Palmen dekoriert, auf den Tischen stehen moderne Jugendstil-Lampen. Ein finster dreinblickender Inder beobachtet das Pärchen und nimmt in der Nähe Platz. Der Kellner nimmt ihre Bestellungen auf. Der Filmstreifen ist gelb/orange gefärbt und nicht beschriftet. Länge des Fragments: 12,4 Meter. Etwa dreißig Sekunden. Wie findet man einen verlorenen Film? Es ist gerade mal einen Monat her, da fand in Berlin die feierliche Wiederaufführung von Fritz Langs "Metropolis" statt, mit den verloren geglaubten Szenen, die vor zwei Jahren sensationell in einem Museum in Buenos Aires wiedergefunden worden waren. Die Geschichte dieses Funds machte wieder einmal deutlich, dass manchmal jahre- oder jahrzehntelang eine Filmrolle in einem Archiv oder einer Privatsammlung liegen kann und niemand weiß, was sich darin befindet. Und wenn es sich nicht gerade um "Metropolis" handelt, sondern um irgendeinen unter Tausenden von unidentifizierten Filmen, oder sogar nur um ein klitzekleines Fragment eines solchen Films, dann fällt es selbst wenn der Film projiziert oder sonstwie gesichtet wird, schwer zu erkennen, um welchen Film es sich handeln könnte. Möglicherweise liegen überall auf der Welt noch filmhistorische Schätze in den Regalen, die nur einfach nicht erkannt werden. In dieser Situation wurde vor zwei Jahren von der Deutschen Kinemathek ein neues Projekt gegründet, das sich die Vernetzung durch das Internet zunutze machen will, um solche schlummernden Schätze zu entdecken: Das Lost-Films-Portal soll dazu dienen, international Informationen über verlorene Filme auszutauschen, und es kann bereits erste Erfolge aufweisen. Das Portal funktioniert nach dem Wiki-Prinzip: Jeder registrierte Benutzer kann Beiträge erstellen und etwa Bilder oder Ausschnitte aus Filmen einstellen, die er identifizieren möchte, oder Informationen zu eingestellten Filmausschnitten anderer Nutzer geben: In der "Identify"-Sektion kann sich jeder durch Bilder und Filmausschnitte klicken, die irgendwo auf der Welt existieren, aber noch nicht identifiziert werden konnten. Wer glaubt, hilfreiche Informationen geben zu können, kann diese der Allgemeinheit zur Verfügung stellen und damit vielleicht dazu beizutragen, dass ein verloren geglaubter Film identifiziert wird. Spurensuche in Filmarchiven So geschah es dann auch mit einem unidentifizierten Fragment, das sich im Besitz der Deutschen Kinemathek befand: Jene gerade mal 12,4 Meter lange Szene mit einem Paar in einem Restaurant, das von einem düsteren Inder observiert wird. Ende 2008 stellte ein Mitarbeiter der Kinemathek einige Bilder des im Archiv vorhandenen Fragments im Lost-Films-Portal ein und beschrieb den Bildinhalt. Ein halbes Jahr später schaute sich die italienische Filmhistorikerin Teresa Antolin die Bilder ganz genau an: Sie erkannte den Mann auf dem Bild als Harry Liedtke und bemerkte, dass in der Szene ein Reklameschild auftauchte, das Werbung für die Produktionsfirma "Pax Film" machte. Daraufhin schrieb sie den Kommentar: "Könnte sich um 'Das Rätsel von Bangalor' handeln." Oliver Hanley vom Lost-Films-Projekt recherchierte daraufhin und stellte fest, dass die Frau im Bild große Ähnlichkeit mit der Schauspielerin Gilda Langer aufwies, die einen einzigen Film mit Harry Liedtke gemacht hatte: eben "Das Rätsel von Bangalor". Er markierte den Film vorläufig als "identifiziert". (Hier wird die Identifizierung des Fragments dokumentiert.) So kann es natürlich gerne weitergehen: Wer weiß etwas über die 3500 anderen bisher im Lost-Films-Projekt dokumentierten Filme? Und wer weiß, wo die anderen 99% von "Das Rätsel von Bangalor" sind? Die Lösung dieses Rätsels wäre nicht nur für Gilda-Langer-Fans von Interesse, denn immerhin handelt es sich auch um ein frühes Werk des Graphikers und Filmarchitekten Paul Leni und des Schauspielers Conrad Veidt in seiner ersten "Turban-Rolle". Die Suche geht weiter Werden wir jemals mehr als diese dreißig Sekunden von Gilda Langer zu sehen bekommen? Es kann gut sein, dass auch Gildas andere Filme irgendwo existieren, nur bisher nicht erkannt worden sind: Über die Filme "Ringende Seelen" und "Das Mädchen mit dem Goldhelm" der Projektions-AG "Union" (PAGU) ist bisher kaum etwas bekannt. Im Jahr 1919, ein Jahr vor ihrem Tod, wechselte Gilda zur Decla-Film-Gesellschaft. Der heilige Gral der Gilda-Langer-Forschung wäre sicher die Entdeckung von Fritz Langs frühem Erotik-Thriller "Der Herr der Liebe". In vielen Filmographien wird Gilda Langer darüber hinaus auch als Darstellerin im zweiten Teil von Langs Abenteurer-Serie "Die Spinnen", "Das Brillantenschiff", geführt. Dort taucht sie allerdings nicht auf. Die Angabe beruht offensichtlich auf einer irrtümlichen Meldung in der Fachzeitschrift "Der Film", bei der es sich vermutlich um eine Namensverwechslung mit der Schauspielerin Thea Zander handelt, die in "Das Brillantenschiff" die Tochter des Diamantenkönigs spielt, die von den "Spinnen" entführt wird. © 2010 Olaf Brill Bilder aus dem Archiv der Deutschen Kinemathek Museum für Film und Fernsehen. Mit freundlicher Genehmigung (Klick auf die Bilder für größere Versionen). |